Fasnet in Schramberg · Wie alles begann

„Meine Eltern haben mich nicht unterstützt, aber es auch nicht verhindert.“ Ergun Can erzählt in akzentfreiem Hochdeutsch mit alemannischem Einschlag über die Schramberger Fasnet und über das Maskenschnitzen. Ergun Can 1958 in Istanbul als Sohn eines selbständigen Kaufmanns geboren.

Anfang 1962 entschloß sich der Vater, seinen Beruf aufzugeben und als Hilfsarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland sein Geld zu verdienen, Später folgten die Mutter, der 4/4-jährige Ergun und die 3jährige Schwester dem Mann und Vater nach Schramberg; hier ist auch sein Bruder auf die Welt gekommen. Der Vater schickte die beiden älteren Kinder in einen Kindergarten, so dass in der Grundschule die deutsche Sprache kein Hindernis mehr für die Türkenkinder war. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte er bei Junghans eine Mechanikerlehre und arbeitete eine Zeitlang in der Firma. Dann erwarb er die Fachhochschulreife; zur Zeit studiert Ergun Can an der Fachhochschule Konstanz Maschinenbau.

In der Schule hatte er nur deutsche Freunde. Sie spielten in ihrer Freizeit Fußball und hatten bei der Fasnet mit Hexenmasken aus Plastik ihren Spaß. „Es hat uns irgendwann einmal gereizt, dass wir uns selber Masken schnitzen“, und am Jahreswechsel 1973/74 hat der Fünfzehnjährige seine erste Maske aus einem Holzklotz herausgeholt. Drei Schüler der neunten Klasse — Ergun Can, Rudi Baikau und Michael Bauer — wandten sich an ihren Werklehrer mit der Bitte, ob er ihnen nicht die Möglichkeit zum Maskenschnitzen schaffen ,könne. Herr Hafner stellte ihnen die Werkbank und Schnitzmesser zur Verfügung, er verwies sie auch an den örtlichen Schnitzer Siegfried Schaub. Dieser erklärte den Buben in groben Zügen den Schnitzvorgang und gab ihnen immer wieder, wenn nötig, Ratschläge. Ja sie durften sogar nach Feierabend in seiner Werkstatt hantieren.

Die ersten viereckigen Holzklötze haben die Buben vom Werklehrer und vom Bildhauer erhalten und dann „munter darauf los geschnitzt“. Ergun Cans erste Maske ist noch ein bißchen großflächig und unförmig geraten. Bei seiner zweiten Maske hat dann schon der Augenabstand gestimmt — nicht größer als 5 cm —, sind die Wände dann schon dünner ausgeschafft, die Backen stärker ausgehöhlt. Zur Zeit wiegt seine leichteste Maske 300/350 g. Von Siegfried Schaub hatten die drei jungen Leute gelernt, dass die Nase der höchste Punkt ist, dass man danach die Stirn runter schlägt, die Backen heraushaut in der Höhe der Augenbrauen und zuletzt in Richtung Kinn schafft. „Erst wird mal in groben Zügen das Profil herausgehauen, bevor man es dann feiner bearbeitet.

So hat jeder seine eigene Phantasie walten lassen, um die Masken zu schnitzen. Wir haben kein Motiv oder Modell gehabt, wo wir’s nachgeschnitzt haben.“ An eine Schramberger Hanselmaske hätten sie sich nie getraut, da diese von der Narrenzunft „abgenommen“ wird. Bei einer frei erdachten Hexenmaske war es den jungen Schnitzern freigestellt, die Nase so oder so zu krümmen. Und wenn am Mund ein Stückchen gefehlt hat, so hat man es so verarbeitet, dass niemand etwas davon hat merken können.

Bis zur Fasnet 1974 hatte jeder drei Masken fertiggebracht, die zum Teil ausgeliehen wurden. So konnte eine Gruppe von neun „Falkenhexen“ mitspringen. Auf diesen Namen für die neue Maske ist man zufällig gekommen, da Rudi Baikau im Stadtteil Falkenstein wohnte. Zugleich wollte man sich damit auch von den „Roßwaldhexen“ distanzieren, die Kunststoffmasken aus Spritzguss bevorzugten. Die Falkenhexe kam bei der Jugend an, und bei den Hobbyschnitzern wurden weitere bestellt, 1977 oder 1978 haben die Falkenhexen eine Narrenzunft gegründet, die mittlerweile rund 60 Mitglieder zählt.

Im Winter 1981/82 hat Ergun Can in den Semesterferien zehn Masken an seiner Werkbank im Keller hergestellt; acht waren bestellt. Er verwendet Lindenholz, das mehr als vier Jahre gelagert ist. Aus den 15-16 cm starken Dielen wird mit der Bandsäge ein Oval zugeschnitten. Früher hat er allein drei bis vier Stunden gebraucht, um aus den viereckigen Klötzen das ungefähre Gesichtsrund zu erhalten. Seine Schnitzmesser sind für ihn „ein Heiligtum“ und so scharf, dass man sich damit beinahe rasieren kann. 20-25 Stunden benötigt er für ein Stück, fürs Schnitzen und Bemalen. Erst wird mit mattem Holzgrundlack grundiert, den das Holz aufsaugt; dann kommt Glanzlack darauf und zuletzt Pulverfarbe, in Glanzlack eingemischt. In der Farbgestaltung sind die Falkenhexen einheitlich; als Grundfarbe dient ein dunkles Braun, die Falten sind grau, die Zähne weiß, Mund und Kinn rot. Ein 3,5 mm dickes Kupferkabel ist an der Maske befestigt und dient als Gestell für ein rotes weißgepunktetes Kopftuch, damit die Maske größer wirkt, Auch das Häs, das die Narrenzunft herstellen läßt und an seine Mitglieder verkauft, ist uniform. In jeder Maske ist die Jahreszahl der Entstehung eingeschnitten sowie ERM, also die Anfangsbuchstaben der drei Freunde. In letzter Zeit signiert Ergun Can nur noch mit E. Bei seiner Arbeit ist er von Siegfried Schaub auf den Grundsatz eingeschworen: Wenn man schnitzt, dann nur mit Handwerkzeug! Ergun Can verwendet keinen Bohrer, weder für die Augen und den Mund noch beim Aushöhlen. Dabei weiß der gelernte Mechaniker, dass es Fräsen gibt, die das Geschäft erleichtern. M. B.